Kai Kröger Verlag

Paul Herscu
Arzneimittelprüfungen Bd.2
Eine kommentierte Auswahl historischer und zeitgenössischer Schriften


Kurzbeschreibung

Das Buch umfaßt zahlreiche Beiträge, die Meilensteine zum Thema AMP, der tragenden Säule der Homöopathie, sind. Im historischen Rückblick erleben wir eindrucksvoll, wie sich die alten Meister um die Grundlage ihrer Heilkunst in Theorie und Praxis bemühten. Aber wir bekommen auch Einblick in Forschungsbeiträge unserer Tage. Hier vollziehen wir den Denkprozess nach, den unsere homöopathischen Vorväter durchliefen, um ein tieferes Verständnis dieses essentiellen Aspektes der Homöopathie bestrebt, um ihre Heilkunst auf verlässlichen Boden zu stellen. Wir erfahren z.B., dass es die Homöopathie war, die Doppelblindversuchsanordnung und Plazebo-Kontrollgruppen bereits im 19. Jahrhundert in die Forschung einführte, und dass diese erst ca. 1930 zu einem integrierten Bestandteil schulmedizinischer Testverfahren wurde. P. Herscu hat das gesamte Quellenmaterial zum Bereich der AMP für uns gesichtet und die entscheidenden Beiträge ausgewählt und kommentiert. Wir sollten unsere homöopathische Tradition gut kennen, auf die wir gerade heutzutage - angesichts all der unhaltbaren Vorwürfe, denen sich die homöopathische Medizin ausgesetzt sieht - zu Recht stolz sein dürfen.



 
Einleitung

Arzneimittelprüfungen Bd. 2 ergänzt und erklärt, was der Band 1 über Arzneimittelprüfungen bereits beschrieb. Dr. Herscu zitiert die ungekürzten Quellen zum Thema der homöopathischen Arzneimittelprüfung und kommentiert jeden der historischen Beiträge. Dabei wird deutlich, wie ein klar strukturiertes und bändiges Modell jetzt endlich die Antworten auf viele Dilemmas liefert, denen sich unser Berufsstand beim Austesten unserer Arzneien bislang gegenüber sah.

Dieser Band 2 zum Thema Arzneimittelprüfungen schließt mit zwei neuen Arbeiten: der Beschreibung eines Experiments, das Wirkungen zeigt, die eindeutig der homöopathischen Arznei zuzuordnen sind; sowie eine Abhandlung über eine klare und nachvollziehbare Methode, die Entscheidungskriterien liefert, welche der Symptome, die im Verlauf einer Arzneimittelprüfung auftreten, beizubehalten und welche zu verwerfen sind.

Ich bin sehr beeindruckt von der Fähigkeit Dr. Herscus, tief in die ursprünglichen Quellen der Homöopathie einzutauchen und wichtige Merkmale unseres Berufsstandes und Aussagen zur Homöopathie zu extrahieren. Auf diese Weise wird dieses bedeutsame Material über die Grundlagen der Homöopathie endlich einer großen Zahl von Menschen zugänglich, welche die Homöopathie studieren und beruflich ausüben. Dr. Herscus Arbeit läßt uns, die wir das Vorrecht genossen, ihn zum Lehrer zu haben, immer wieder innehalten, um unser berufliches Tun und unsere Denkansätze bezüglich unterschiedlicher Aspekte der Heilkunde zu überprüfen, von denen wir angenommen hatten, wir hätten sie gut verstanden oder wären mit ihnen ausreichend vertraut.

Ich lege dieses Buch all meinen Berufskollegen wärmstens ans Herz. Es sollte aber auch die Pflichtlektüre eines jeden Homöopathiestudenten sein. Dieses Buch über Arzneimittelprüfungen ist ein überaus wichtiges und ebenso verlässliches Nachschlagewerk für wissenschaftliche Unternehmungen im Bereich der Homöopathie. Dr. Herscu bietet hier die klare Beschreibung der Theorie und Praxis von Arzneimittelprüfungen, die sich auf zahlreiche wichtige klassische Schriften stützt, und die hier vollständig wiedergegeben werden.

Nach meinem Dafürhalten wird dieses neue Buch aus Dr. Herscus Feder dem Berufsstand der Homöopathen entscheidend weiterhelfen. Die Lektüre wirkt regelrecht erfrischend! Sie läßt im Leser das Gefühl wieder auferstehen, daß er mit seinem Beruf als Homöopath auf festem Boden steht und sich auf eine kraftvolle Tradition im Rücken stützen kann. Es ist das erklärte Ziel des Autors, den Zusammenhalt unter uns Homöopathen zu fürdern und Einigkeit wieder herzustellen, indem er die herausragenden Aspekte der Theorie und Praxis unserer Therapie deutlich macht.

Dr. med. Edward Shalts, Psychiater



Inhalt

Arzneimittelprüfungen II

Kapitel 1: Das Organon der Heilkunst
27
Dr. Samuel Hahnemann

Kapitel 2: Fälle, welche die homöopathische Praxis illustrieren
43
Dr. Samuel Hahnemann 1833

Kapitel 3: Über die Prüfung von Arzneien
53
R.E. Dudgeon, MD 1854

Kapitel 4: Die Dosierung bei Arzneimittelprüfungen
91
C. Dunham, MD 1877

Kapitel 5: Richtlinien für Arzneimittelprüfer, ausgegeben an die Frauen, die Lilium Tigrinum prüften
109
C. Dunham, MD 1877

Kapitel 6: Lilium Tigrinum. Eine Zusammenfassung einiger weniger Arzneimittelprüfungen bei Frauen
113
C. Dunham, MD 1877

Kapitel 7: Idiosynkrasie
125
James Tyler Kent, MD 1884

Kapitel 8: Dieüberarbeitung unserer Arzneimittellehre
129
James Tyler Kent, MD 1884

Kapitel 9: Das Studium unserer Arzneimittellehre
133
James Tyler Kent, MD 1888

Kapitel 10: Idiosynkrasien
157
James Tyler Kent, MD 1900

Kapitel 11: Arzneimittelprüfungen
163
H.A. Roberts, MD 1936

Kapitel 12: Arzneimittelprüfungen und Labortests
173
D.M. Gibson, MD 1949

Kapitel 13: Arzneimittelprüfungen
175
W. Lees Templeton, MD, ChB 1949

Kapitel 14: Eine Rezension kürzlich erfolgter Arzneimittelprüfungen
193
J.R. Raeside, MB, ChB, MF HOM 1962

Kapitel 15: Empfindlichkeit und Arzneien
217
M.L. Dhawale, MD 1967

Kapitel 16: Arzneimittelprüfungen
221
Frank Bodman, MD, FF HOM. 1977

Kapitel 17: Ein Protokoll für Arzneimittelprüfungen
237
Trevor Smith, MA, MB, B Chir, DPM, MF Hom 1979

Kapitel 18: Die Geburt einer Arznei
247
Georgos Vithoulkas 1980

Kapitel 19: Ein Modell für homöopathische Arzneimittelprüfungen. Mit einer statistischen Analyse
273
G.Bayr, MD 1986

Kapitel 20: Die Entwicklung von Arzneimittelprüfungsmethoden seit Hahnemann
287
Dr. Denise DeMarque 1987

Kapitel 21: Arzneimittelprüfungen - die Planung und das Protokoll
299
Dr. V.M. Nagpaul 1987

Kapitel 22: Das Testen von Arzneien - persönliche Erfahrungen
313
A. Koppers, Cand. med. 1987

Kapitel 23: Arzneimittelprüfer
321
F.H. Bodman, MD, CHB, FF HOM 1987

Kapitel 24: Arzneimittelprüfungen: Die Methode und ihre Zukunft
337
Gastredakteur - Harald Walach, PhD 1994

Kapitel 25: Briefwechsel zun Prüfung von Potenzen
343
Drs. Oliver Kennedy, A. Campell 1995

Kapitel 26: Arzneimittelprüfungsbericht - Veronica Officinalis
347
David S. Riley, MD 1995

Kapitel 27: Zur Debatte: Arzneimittelprüfungen. Konzept und Methodik
361
Philippe Belon, MD 1995

Kapitel 28: Arzneimittelprüfung und Vergiftung
373
J.R. Raeside, MB, ChB, MF Hom 1996

Kapitel 29: Briefwechsel - die Methodik der Arzneimittelprüfung
385
Dres. David Riley, Harald Walach, Philippe Belon 1996

Kapitel 30: Wann wird Unvoreingenommenheit zum Vorurteil? Das Dilemma homöopathischer Arzneimittelprüfungen und moderner Forschungsmethoden
393
Ted J. Kaptchuk 1996

Kapitel 31: Die Verbesserung des Erfolgs in der Homöopathie:
Die Aufstellung einer neuen Agenda für die Forschung in der Homöopathie
415
Drs. Robbert van Haselen, Flavio Dantas, Peter Fisher 1997

Kapitel 32: Die Säule der Homöopathie. Homöopathische Arzneimittelprüfungen in einem naturwissenschaftlichen Rahmen
425
Harald Walach, PhD 1997

Kapitel 33: Das Extrahieren von Symptomen aus homöopathischen Arzneimittelprüfungen
437
David S. Riley, MD 1997

Kapitel 34: Gute homöopathische Arzneimittelprüfungen
447
Frank Wieland, MD 1997

Kapitel 35: Eine Arzneimittelprüfung von Parthenium Hysterophorus, L.
461
Dres. Arif Ismail Maishi, P. K. Shoukat Ali, S.A. Chaghtai, Gizala Khan 1998

Kapitel 36: Kommentar zu Jeremy Sherrs Buch Die Dynamik und Methodik homöopathischer Arzneimittelprüfungen
473
Paul Herscu ND 2002

Kapitel 37: Arzneimittelprüfungen und eine erneute Durchsicht des Organon der Heilkunst
483
Paul Herscu ND 2002

Kapitel 38: Ein Doppelblindversuch mit Placebokontrollgruppe als Pilotstudie zur Verifizierung von Arzneimittelprüfungen - eine Methode zur Auffindung pathogenetischer Charakteristika homöopathischer Arzneimittel
489
Paul Herscu ND, Dagmar Schmid PhD, Edward Shalts MD, Todd Hoover MD 2002

Kapitel 39: Eine kurze Zusammenfassung der beiden Bände über Arzneimittelprüfungen. Oder: Welche Symptome verwenden wir?
503
Paul Herscu ND 2002

Einige Worte zum Abschluß
514
Paul Herscu ND




Leseprobe

Kapitel 6

Lilium Tigrinum - Eine Zusammenfassung einiger weniger Arzneimittelprüfungen bei Frauen

Aus C. Dunhams The Science of Therapeutics

(Dieses Kapitel aus Dunhams Buch veranschaulicht die Punkte, die er zu Arzneimittelprüfungen im vorhergehenden Kapitel gemacht hatte. Dunham wollte eine Arznei prüfen, bei der die meisten Prüfer Frauen waren. Wie sich zeigte, war dies bei dieser Prüfung dann auch der Fall. - PH)

Meine Studien haben mir schon seit Jahren die Schwäche der homöopathischen Arzneimittellehre bezüglich der physiologischen Wirkungen von Arzneien auf den besonderen Organismus von Frauen gezeigt. Dies beruht auf der Tatsache, daß nur wenige der Prüfer, deren Beobachtung wir unsere Arzneimittellehre zu verdanken haben, Frauen waren. Ich habe mir keinerlei Methode vorstellen können, mit deren Hilfe dieser Mangel in der Arzneimittellehre wettgemacht werden könnte - mit Ausnahme der freiwilligen Teilnahme von Frauen, die bei einer Arzneimittellehre mitmachen würden. Und es erschien mir unwahrscheinlich, daß diese Arbeit mit der erforderlichen Genauigkeit und Intelligenz durchgeführt werden könnte, wenn nicht die Frauen, die an dieser Unternehmung teilhaben, in den medizinischen Wissenschaften ausgebildet sind. Schließlich glaubte ich, daß Frauen, die infolge ihrer Ausbildung und Fertigkeiten Mitglieder des medizinischen Berufsstandes geworden waren, wahrscheinlich keinen Gefallen daran finden könnten, zu einem aufrichtigen, beherzten und wichtigen Teil gemeinsam mit uns Männern an dem großen Werk mitzuwirken, dieses grundlegend wichtige Element unserer Wissenschaft - die Arzneimittellehre - zu perfektionieren, wenn diese Frauen nicht von uns als Mitarbeiterinnen auf gleicher Basis in jeder Hinsicht anerkannt und aufgenommen würden, und zwar aus einem ähnlichen Grunde wie dem, der Mr. Dickens dazu führte, die Einladung der Königin abzulehnen, eine Vorlesung in Windsor Castle abzuhalten, indem er sagte: "Ich werde nicht dort als Künstler auftreten, wo ich nicht als Mann empfangen werde." Und umgekehrt dachte ich, daß die Frauen, wenn sie auf diese Weise aufgenommen würden, herzlich und großzügig auf eine Einladung reagieren würden, indem sie sich für die Arbeit zur fürderung der medizinischen Wissenschaft engagierten, und dies in einem Bereich, in dem nur sie arbeiten können, so daß die Vollendung dieses Projektes für alle Zeiten als Monument ihrer Fähigkeit und ihrer Hingabe stehen würde.

Als daher bei einer Zusammenkunft des Instituts im Jahre 1869 eine Resolution zur Verabschiedung anstand, die die Wählbarkeit gut qualifizierter Frauen für die Mitgliedschaft erklären sollte, beschloß ich, Frauen einzuladen, die sich dem medizinischen Berufsstande angeschlossen hatten, um sich für die Arbeit und Mühen der Arzneimittelprüfungen im Gefühl der Zuversicht zu engagieren, damit die Ergebnisse ihrer Arbeit den Beweis liefern würden, wie wertvoll und unverzichtbar sie für die Vervollständigung und Perfektionierung unserer Arzneimittellehre ist. Sogar die schon jetzt vorliegenden Ergebnisse haben diese Hoffnung gerechtfertigt. Mehr als 30 Frauen, von denen die meisten Medizinerinnen sind, reagierten herzlich auf meine Einladung und machten sich an die Arbeit der Arzneimittelprüfung. Ein Drittel aus der Gesamtzahl der Teilnehmerinnen hat bereits befriedigende Ergebnisse berichtet, und hierüber möchte ich jetzt eine Zusammenfassung vorlegen.

Die für die Arzneimittelprüfung ausgewählte Arznei war Lilium tigrinum - die Tigerlilie -, die ihren Eingang in die Arzneimittellehre durch Dr. W.E. Payne aus Bath, Me., fand, der uns gerade mal genug mitgeteilt hatte, um zu zeigen, daß diese Pflanze eine machtvolle spezifische Wirkung auf den weiblichen Organismus besitzt. Die Symptome waren indessen nur Mitgliedern des Instituts bekannt. Ich nahm an, daß, wenn ich eine Anzahl von Prüferinnen in verschiedenen Teilen des Landes gleichzeitig diese Arznei prüfen ließe, die den meisten, wenn nicht gar allen, vollkommen unbekannt ist, ich Prüfungsberichte erhalten würde, die, sofern sie einander bestätigen sollten, sehr gute Rückschlüsse auf die Wirkung der Arznei zulassen würde.

Insofern die Entdeckung dieser Arznei zu Recht Dr. W.E. Payne zugeschrieben wird, habe ich ihm die wortgetreuen Protokolle zukommen lassen, die ich von meinen Prüferinnen erhalten habe, damit er sie in seine eigenen aufnehmen und das Ganze zur Veröffentlichung im Tätigkeitsbericht des Instituts vorbereitet werden kann.

Die erste Arzneimittelprüfung, und ich werde sie in allen Einzelheiten wiedergeben, wurde unter meiner eigenen Beobachtung und Leitung durchgeführt, und zwar von einer Dame im Alter von 30 Jahren, unverheiratet, eine praktische Ärztin, die sich schon immer guter Gesundheit erfreut hatte, wenngleich sie für die Wirkung von Arzneien sehr empfänglich ist.

Nr. 1. Sie begann ihre Prüfung am 1. Oktober 1869, indem sie drei Tropfen der 30. Zentesimalpotenz von Lilium tigrinum dreimal täglich einnahm. Sie berichtet das Folgende:

"Zuerst stellte ich fest, daß ich aktiver war; die Dinge gingen mir leicht von der Hand. Es gab vier Tage lang keine weiteren Wirkungen, abgesehen von einer Zunahme des geschlechtlichen Verlangens; dann eine süßliche Übelkeit bei Völlegefühl im Bauch, insbesondere nach dem Essen - selbst nach Einnahme nur geringer Nahrungsmengen. Aber Essen führt nicht zu einer Zunahme der Übelkeit; ich habe kein Bedürfnis, mich zu erbrechen. "Am sechsten Tag entwickelten sich Gemütssymtome. Ich möchte nicht, daß man nett zu mir ist. Ich habe kein Interesse zu sprechen; es besteht der Wunsch zu schlafen. Schlief die ganze Nacht gut, bei unerfreulichen Träumen. Ließ die Medizin zwei Tage weg. Während dieser Zeit ließen die Übelkeit und das Völlegefühl nach. Zeitweise fühlte sich die Haut des Bauches steif und wie gedehnt oder gespannt an. Am siebenten Tag nahm ich fünf Tropfen aus der 3n, und schon nach wenigen Stunden hatte die Übelkeit sehr zugenommen, wobei das gleiche Gefühl von Aufgetriebenheit im Bauche bestand, besonders im Bereich der Hüften und des Uterus; schießende Schmerzen in verschiedenen Teilen des Kopfes, ein reißender Schmerz im unteren Teil des Abdomens, ausgehend von der Region des Eierstocks hinab auf beiden Seiten. Ich aß so viel wie gewähnlich, hatte jedoch keinen Appetit; war ruhelos, dabei hatte ich den Wunsch, etwas zu tun, aber ohne Ehrgeiz. Eine Empfindung von Druck in der Vagina, und ein Schmerz im oberen Bereich des Sakrums, der sich zu den Hüften erstreckte.

"8. Tag. Schlimmer beim Zubettgehen; kann nicht einschlafen; wildes Gefühl im Kopf, als ob ich verrückt werden sollte und sich keiner um mich kümmern würde; Gedanken an Selbstmord;überlegung, wie viel Opium mich wohl in den ewigen Schlaf sinken ließe, und wer meinen Körper finden würde, und wer trauern würde; beständige Übelkeit.

"10. Tag. Schmerz in der rechten Hüftgegend, besser während Bewegung; im Kopf macht sich ein wildes Gefühl breit, nachdem ich kurze Zeit ruhig gewesen bin. Um 14.00 Uhr am 10. Tag (das ist der 10. Oktober) nahm ich fünf Tropfen der 3. Potenz. Zunehmendes drückendes Gewicht über dem Schambein; schlimmer am Abend. Die Knie schmerzen." Keine weitere Medizin wurde von dieser Prüferin eingenommen.

Acht Tage später (am 20. Oktober) kam sie zu mir, um ihre Symptome zu schildern, weil sie sich in einem derartigen Gemütszustand befand, daß sie sie selbst nicht mehr aufzeichnen konnte. Die folgenden Symptome waren am 20. Tag (zehn Tage nach Einnahme der letzten Dosis) aufgetreten und nahmen stetig zu: Eine Empfindung im Becken, als würde durch die Vagina hindurch alles in die Welt hinaustreten. Vergangene Nacht war das sehr qualvoll, und sie erzielte auch keine Erleichterung durch die Veränderung der Lage. Das Herabdrängen zum Becken hin findet sogar von oben vom Magen her und sogar von den Schultern her statt; es wird nicht gebessert durch Niederlegen, wenngleich es sich im Stehen verschlimmert; es besteht eine Neigung, die Hand auf das Hypogastrium zu legen und aufwärts zu drücken, um sich bezüglich der herabdrängenden Empfindung eine Erleichterung zu verschaffen. In gleicher Weise besteht ein Schmerz und ein Druck quer über den Lendenwirbelbereich und den Sakralbereich, und ebenso ein gewisser Druck auf dem Rektum. Gleicherweise Druck und ein verrücktes Gefühl im Scheitelbereich, so daß sie ihre Symptome nicht aufschreiben kann. Heute (am 22. Tag) gab es beim Gehen eine Empfindung, als würde alles in das Becken und in die Vagina hineingedrückt werden, so daß sie mit Nachdruck einatmet, um auf diese Weise den Brustkorb zu heben und damit das Becken von dieser Empfindung zu befreien.

Sie möchte, daß jemand mit ihr spricht und sie unterhält. Sie fühlt sich ziemlich nervös; sie möchte weinen wegen eines Gefühls von Irritation und aufgrund des Gefühls, daß in ihrem Bauch und ihrem Becken irgendetwas nicht in Ordnung sei. Sie fühlt sich wie zur Eile getrieben und ist dennoch nicht in der Lage - so, als hätte sie eine ganze Menge zu tun und sei aber nicht in der Lage, die Dinge zu tun; viel Durst; sie trinkt oft und jedes Mal auch viel.

Normalerweise hat sie regelmäßige Verdauung. Jetzt wechseln geformter Stuhl und durchfälliger Stuhl miteinander ab, und das mehrmals während des Tages; sie hat auch beständig das Empfinden, als müsse sie Stuhl absetzen; dieses Gefühl entsteht aus einer Empfindung, als ob etwas gegen die vordere Wand des Rektums im Analbereich drücken würde, und auch ca. 2,5 bis 7,5 cm darüber.

Sie ist sich dessen bewusst, daß sie nervös und reizbar ist, und dennoch sagt sie, daß sie sich fröhlich fühle. Ein brummender, grollender Schmerz in der rechten Kopfseite und in den Zähnen.

Gestern beim Gehen Schmerz in beiden Eierstöcken, schlimmer links; der Schmerz geht vorne und an der Innenseite des linken Oberschenkels hinab, als wäre es unmöglich, noch einen weiteren Schritt zu tun; sobald sie die Gliedmaße ausstreckt, muß sie sie sofort wieder beugen, um sie dann aufgrund eines ruhelosen Unbehagens wieder zu strecken. Irgendwann schlief sie dann auf dem Rücken ein, wobei sie die Knie und Oberschenkel angewinkelt hatte.

Sie kann nicht sagen, welcher Beckenschmerz schlimmer ist - jener im Rücken oder jener im Bereich des Schambeins. Der gesamte Beckeninhalt scheint abwärts zu zerren und nach vorne zu drängen, und dies besonders vom Bereich des Epigastriums aus.

Sie kann ihre Symptome nicht aufzeichnen. Sie möchte sich nicht beklagen, und doch meidet sie die Begegnung mit Menschen nicht. Sie fühlt sich aufgebläht, aber ist es nicht. Eine gewisse Berührungsempfindlichkeit bei Ausübung von Druck im Bereich der Eierstöcke, besonders dem rechten.

23. Oktober. Schmerzen im Becken zwischen dem stumpfen Vorsprung des Sakrums und dem Schambein. Sie hat das Gefühl, als würden die Schmerzen nicht im Uterus selbst sein, sondern in dem ihn umgebenden Bereich. Sie fühlt ständig die beiden Stellen, die den Eierstöcken entsprechen, und diese Schmerzen fühlen sich an wie zwei kleine Kohlestückchen. Im Becken besteht das Gefühl wie von einem Herausdrängen, als würde der gesamte Beckeninhalt in einen Trichter hinabgestoßen, dessen Öffnung mit der der Vaginaübereinstimmt.

Am 25. Oktober. Während der letzten 36 Stunden das beständige Verlangen, aufgrund eines Drucks auf das Rektum Stuhl abzusetzen; Stuhlgang alle 30 Minuten, klumpig, durchfällig, mit Blähungsabgang; beständiges schmerzhaftes Drängen mit Brennen in der Harnröhre. Diese Symptome setzten sich, gemeinsam mit jenen, die zuvor beschrieben worden waren, mehrere Tage lang fort. Der Schmerz im rechten Eierstock nahm zu, bis sie ihn am 16. Tag beschrieb, als wäre ein Messer in den Eierstock eingeführt worden und würde den Leistenbereich und den vorderen Bereich des Oberschenkels aufschlitzen; der Schmerz erstreckt sich über die Lumbosakralregion, und sie muß sich in den Schlaf weinen. Sie erfährt eine gewisse Erleichterung durch Druck auf die Eierstocksregion.

Durchfall und Druck auf die Harnblase bestehen ohne Erleichterung fort bis zum 27. Tag. Sie bemerkt, daß ihre Symptome sich alle verschlechtern, wenn sie den aktiven Widerstand gegen sie aufgibt und ebenso im Versuch nachläßt, sie zu beherrschen, wie z.B., wenn sie sich hinsetzt, um sich auszuruhen, oder wenn sie versucht einzuschlafen.

28. Oktober. Die Menstruation setzte pünktlich ein und nahm einen normalen Verlauf, aber nur dann, wenn sie sich beständig bewegt. Der Menstruationsfluß hört auf, wenn auch sie zur Ruhe kommt. Sie fühlt sich sehr in Eile und wie getrieben, aber sie weiß nicht weshalb; sie geht schnell und ohne Unterlaß, aber ohne Ziel; im Geiste ist sie sehr verwirrt.

29. Oktober. Sie stellte einige Herzsymptome fest, aber diese sind nicht sehr eindeutig. Am 30. Tag hatte sie nach dem Gehen eine plötzliche Empfindung wie von Flattern im Herzen. Diese Empfindung, wie alle andern Symptome auch, läßt nach, wenn sie sich selbst viel beschäftigen kann. Ein Gefühl wie von Eile um das Herz herum, mit Ohnmachtsgefühl und Flattern, als könne sie sich keiner Anstrengung unterwerfen, sondern müsse stillsitzen. Der Schmerz lokalisiert sich in der Herzspitze. Zweimal hatte sie dort einen scharf-stechenden Schmerz. Sie fühlt sich wie zur Eile angetrieben, als müsse sie schnell atmen, aber sie tut es nicht.

Die Prüferin hat das Gefühl, als wäre ihr gesamtes System durch die Arznei tief in Mitleidenschaft gezogen worden. "Sie ist nicht mehr der Mensch, der sie einmal war"; fühlt sich wie getrieben, aber ihr fehlen die Kräfte; hat weder den Antrieb noch die Stärke, ihrem Geschäft nachzugehen; entmutigt und niedergeschlagen.

1. November. Ein trockener, einzelner Hustenstoß; die Herzsymptome waren sehr beschwerlich; Kurzatmigkeit, besonders beim Treppensteigen.

Der Appetit hat sehr zugenommen, besonders das Verlangen nach Fleisch, und je stärker dieser Appetit auf Fleisch war, umso deutlicher wurden die Symptome. Die Gemütssymptome sind auffällig; sie hat eine Abneigung gegen das Alleinsein, während sie früher gerne allein war, (aber sie fürchtet sich nicht davor). Ihre sexuellen Instinkte, die zuvor eher wie eingeschlafen waren, sind jetzt sehr stark; Verstand und Intuition sind abgestumpft und träge.

10. November. Die Prüferin berichtet: Seit dem 4. November sei es ihr recht gut gegangen, und sie vermute, das die Wirkung der Arznei sich erschöpft habe, aber am 7. November kehrte das Empfinden von Herabdrängen im Becken zurück; alles schien sich aus der Vagina herausdrücken zu wollen. Diese Empfindung setzte sich am 8. November wie leichte Wehenschmerzen fort. Vaginaler Ausfluß trat ebenfalls auf (es handelte sich um eine dünne, wundmachende Absonderung, die einen braunen Fleck hinterließ). Das hatte sie niemals zuvor gehabt. All diese Symptome sind schlimmer am Nachmittag und am Abend bis hin zur Mitternacht. Am 9. November hörte der vaginale Ausfluß auf, aber am Nachmittag kehrte er schlimmer als je zuvor wieder, und sie konnte wegen der Beckenbeschwerden keinen Schlaf finden.

11. November. Sie leidet an Schwermut; sie verspürt einen Druck auf Harnblase und Rektum; sie ist träge, und dennoch ruhelos und schnippisch; der Ausfluß besteht weiterhin. Während dieser Symptome tritt wiederum das Verlangen nach Fleisch auf. Brennender Schmerz quer durch das Hypogastrium von Leiste zu Leiste. Kurzum, die Symptome, die sie zuerst erlebte, wiederholen sich. Sie hatte kein weiteres Lilium tigrinum eingenommen. Zusätzlich bemerkt sie einen seltsamen Gemütszustand; es ist ein Verlangen nach feinen Dingen jeglicher Art. Sie ist unzufrieden mit dem, was sie hat, und sie ist neidisch auf andere.

12. November. Während sie eine Vorlesung besucht, spürt sie viel Irritation im Uterus und einen einzigartigen Gemütszustand - das Verlangen, den Dozenten zu schlagen, und am Abend die Neigung, jeden und alles zu beschimpfen und zu verfluchen, ebenso obszöne Dinge zu denken und auszusprechen; als dieses Gefühl auftrat, verschwanden die Schmerzen in der Gebärmutter. Heute hat der vaginale Ausfluß aufgehört.

13. November. Seit dem letzten Bericht ist sie träge, dumpf und vergesslich geworden. Die Menses trat wieder auf (am 14. November), nachdem nur ein Zeitraum von zwei Wochen verstrichen war; es handelt sich um einen geringfügigen, dunklen, dicken und übelriechenden Ausfluß.

1. Dezember. Jetzt ist es acht Wochen her, seitdem sie Lilium tigrinum einnahm. Gestern hatte sie großen Hunger, aß große Mengen und hatte dennoch das Gefühl, daß sie verhungern müsse. Sie fühlte die alte Angetriebenheit und den Energiemangel; die altbekannten Schmerzen im Kopf und in den Zähnen, die sich durch Bewegung und Beschäftigung besserten; danach traten der Durchfall und der Druck auf der Harnblase wieder auf.

4. Dezember. Sie geht nun durch die dritte Serie von Symptomen hindurch, die von Lilium tigrinum hervorgerufen wurden; die leidenschaftliche Erregung, die Schmerzen und der Brennschmerz in den Eierstöcken (im rechten), diesen Organen kann sie ganz deutlich diese Empfindungen zuordnen; die Niedergeschlagenheit mit der Verschlimmerung des nachts und der Durchfall am Morgen; dann das Herauspressen im Becken und das Brennen um den Schambeinbereich und die Genitalien herum - dies verschlimmert sich von 15.00 bis 17.00 Uhr und läßt ab 20.00 Uhr nach; es wird begleitet durch Druck auf die Harnblase.

Die Symptome waren diesmal so schwer und qualvoll - körperlich nicht weniger als gemütsmäßig -, daß ich der Prüferin nicht zumuten konnte, diese weiterhin zu ertragen, und daher verordnete ich ihr mehrere Gaben Platina 200, und seit diese Arznei wirkte, erlebte sie sehr rasch Erleichterung.

Nr. 2. Um einen Vergleich mit dem oben Dargestellten zu gestatten, werde ich die Zusammenfassung einer Arzneimittelprüfung liefern, die unter der Oberaufsicht von Dr. W.E. Payne ungefähr zur gleichen Zeit durchgeführt wurde, wobei die Prüferinnen keinen Kontakt miteinander hatten:

Frau P., 55 Jahre, sie hat zu menstruieren aufgehört.

26. Januar 1870, nahm einen Tropfen der 30. Zentesimale ein. Hatte am Abend, nach greifenden Schmerzen, mühelosen Stuhlgang, dem ein Gefühl von Wundsein im Anus und Rektum folgte, was diese Prüferin nur sehr selten erlebt hat. Während der Nacht ein Gefühl in allen Gliedmaßen, als würde das Blut nach außen gestoßen werden; Ruhelosigkeit; Hitze und Schmerz in der Stirn und in den Augenbrauen.

Am nächsten Tag ein mühelos abgesetzter Stuhlgang, nach welchem dann eine Empfindung von Wundsein im Anus auftrat. Häufiges Verlangen zu urinieren während des gesamten Tages, dabei nur wenig Ausscheidung, und in der Folge eine Empfindung von Wundsein in der Harnröhre. Diese Symptome kehrten täglich wieder, und sie verschlimmerten sich deutlich gegen 17.00 Uhr; dies blieb so bis zum 2. Februar. Durchfällige Stühle jeden Morgen, gefolgt von einer Irritation wie Wundheit um den Anus herum, die ungefähr eine Stunde lang anhielt. Die gleichen Symptome traten auch beim Urinieren auf.

2. Februar. Wiederholte die Medizin. Zunahme der oben genannten Symptome; Brennen in den Handflächen und an den Sohlen während der ganzen Nacht, dabei das beständige Verlangen, einen kühlen Ort für sich zu finden; ein schneidender Schmerz in der linken Brustdrüse, begleitet von Schmerzen, die unterhalb der Brustwarze begannen - tief in der Brust, als würde der Schmerz zwischen der Drüse und den Rippen sitzen und sich zu eben dieser Seite der Wirbelsäule ausbreiten; dabei schien der Schmerz am unteren Ende des Schulterblattes vorbeizugehen; er setzte ein, nachdem sie sich zur Ruhe begeben hatte, und er verschlimmerte sich, wenn sie auf der in Mitleidenschaft gezogenen Seite lag.

Diese Symptome bestanden fort und traten täglich wieder auf; sie wiederholte die Medizin, worauf im vorderen Teil des Kopfes ein sehr schwerer Schmerz einsetzte; das Besondere an diesem Kopfschmerz war eine Empfindung, als würde alles Blut durch jede Körperöffnung nach außen gedrückt werden. Die Medizin wurde jeden dritten oder vierten Tag wiederholt. Am neunten oder zehnten Tag Schmerz durch Ausübung von Druck in der linken Bauchseite (in der Gegend des Eierstocks); manchmal einschießende Schmerzen in diesem Bereich, die zur Leiste und vorne zum Schambein hingingen; häufiges Bedürfnis, Wasser zu lassen.

Am 12. Tag war der Kopf klarer und besser, und sie empfand große Schwere und einen Druck im Bereich der Gebärmutter, mit stechenden und schießenden Schmerzen im Eierstocksbereich.

14. Tag. Die Ovarialschmerzen werden ausgeprägter und erstrecken sich den linken Oberschenkel hinab.

Diese Reihe von Symptomen setzte sich bis zum 21. Tag fort, und während der Ovarialschmerz weiterhin bestehen blieb, trat zudem noch ein Herabdrängen im Gebärmutterbereich auf - mit dem Verlangen, die betroffenen Körperteile zu halten und zu unterstützen, indem sie mit der Hand gegen die Vulva aufwärts drückte; Symptome, die fortbestanden und am 25. Tag als eine "drückende und herabdrängende Empfindung" im den gesamten Geschlechtsorganen beschrieben werden, wobei ein Gefühl besteht, als würden die inneren Organe in einer Abwärtsbewegung von der Brustregion und dem Bereich des Bauchnabels durch die Vagina hindurch nach außen gezogen; unwiderstehliches Verlangen, die Hand gegen die Vulva zu drücken, um die inneren Organe daran zu hindern herausschlüpfen.

Diese Symptome traten einen ganzen Monat lang nach der letzten Gabe Lilium weiter auf, während der morgendliche Durchfall mehr als sechs Wochen andauerte.

Nr. 3. Diese Prüferin nahm Lilium in der 3. Potenz, eine einzige Gabe von einer viertel Unze. Zwei Wochen lang wurden keinerlei Symptome beobachtet. Dann - und von den nun folgenden Symptomen waren die herausragendsten jene, die zum Schluß auftraten - Schmerzen im Lendenwirbelbereich, als würde der Rücken durchbrechen; herabdrängende Schmerzen im Becken, besonders beim Gehen; Druck und Gewicht ganz unten in der Vagina.

Sie berichtet ebenfalls von einem Kopfschmerz, als sei der Kopf zu sehr mit Blut erfüllt - als wolle das Blut aus Nase und Ohren herauskommen.

Nr. 4. Diese Prüferin, die an Astigmatismus gelitten hatte, und die auch weitsichtig war, erfuhr durch Lilium in der 3. Potenz Herzsymptome - einen Schmerz, der durch das Herz hindurch zum Rücken ging, und ein Gefühl, als würde das Herz in einem Schraubstock eingequetscht. Sie kann, wenn sie in ein warmes Zimmer hineingeht, nicht geradeaus gehen, wobei die Symptome aufgetreten waren, während sie in kalter Luft gegangen war. Ihr Sehvermögen wurde auch sehr trübe. Sie nahm keine weitere Medizin ein, und nach ungefähr einem Monat war ihr Sehvermögen wieder hergestellt. Sie stellte daraufhin fest, daß der Astigmatismus verschwunden war.

Nr. 5. Diese Prüferin beschreibt den gleichen Kopfschmerz wie die vorhergehende Prüferin - Druck, der von innen nach außen geht; die gleiche nervliche Hinfälligkeit, und ein morgendlicher Durchfall mit viel schmerzhaftem Drängen. Sie berichtet, daß die Symptome noch einen Monat nach Einnahme der letzten Dosis fortbestanden.

Nr. 6. Diese Prüferin berichtet von nervöser Zittrigkeit und der Unfähigkeit, geistig zu arbeiten; Verschlimmerung am Nachmittag, mit einem Kopfschmerz, welcher der vorhergehenden Prüferin ähnlich ist. Auch die Menses war von der Menge her geringer, aber setzte zu schnell ein. Desgleichen starke Schmerzen in der Gebärmutter; konnte das Gewicht der Kleidung auf dem Becken nicht ertragen; reichlicher und wundmachender vaginaler Ausfluß. Während der Schmerz im Beckenbereich so stark war, ergab eine vaginale Untersuchung, daß die Gebärmutter nach vorne verlagert war; dies war ein Zustand, der zuvor niemals existiert hatte. Während der Schmerzen bekam sie hysterische Anfälle.

Nr. 7 und 8. Die gleiche Serie von Symptomen wie oben.

Dieser Zusammenfassung können wir einige der Hauptcharakteristika von Lilium entnehmen. Wenn die Arznei in bescheidenen Dosierungen gegeben wird, treten die Wirkungen nicht sofort auf. Tage verstreichen, bevor eindeutige Symptome der Arzneiwirkung auftreten. Aber die Wirkungen halten hartnäckig an, wie das Prüfungsprotokoll einer jeden Prüferin zeigt. Die Wirkungen tretenüberdies über längere oder kürzere Zeiträume erneut auf, und sie tun dies in Gruppierungen, die eine klare Abfolge sichern. So berichtet die Prüferin Nr. 1, deren Prüfungsprotokoll ich in vielen Einzelheiten wiedergegeben habe, über eine dritte Wiederkehr einer Gruppe von Symptomen, die beinahe zwei Monate nach der Gabe von Lilium auftrat. Bei männlichen Prüfern wurde die gleiche Wiederkehr von Symptomen in definitiv erkennbaren Gruppen beobachtet, wobei es eine Periode relativer Symptomfreiheit gab. Die gleichzeitige Beobachtung dieser Besonderheiten bei Prüfern, die weit von einander entfernt wohnen und nicht miteinander bekannt sind, schließt von vornherein jeden Zweifel an der Echtheit aus.

Von den Symptomen, die man bei Frauen, aber auch bei Männern, beobachtet, sind die Wirkungen auf das Gemüt bemerkenswert, und sie lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Erstens, wie dies von Dr. Payne beobachtet wurde: Angst und Vorahnung, daß eine unheilbare Krankheit bereits besteht oder einzusetzen droht, und dies ruft Niedergeschlagenheit hervor.

Zweitens, wie dies am entschiedensten bei der Prüferin Nr. 1 zutage trat, und deutlich, wenn auch etwas weniger betont, bei mehreren anderen, ein Bewußtsein von einem unnatärlichen Gemüts- und Gefühlszustand, der sich schließlich zu einem Zustand von Verzückung entwickelt, bei dem die Prüferin eine Neigung hat, Personen und Dinge zu kritisieren, ihre eigene Wichtigkeit und Vorzüglichkeit zuübertreiben, und auf andere herabzusehen; im Zusammenhang damit ist eine Zunahme des sexuellen Instinkts beobachtbar. Bei mehreren Prüferinnen mündete dieser Zustand in hysterische Anfälle. Bei Prüferin Nr. 1 nahm dies so markante Verhältnisse an, daß ich mich gezwungen sah, dem ein Ende zu setzen, indem ich Platina verordnete, das offensichtlich aufgrund der Gemütssymptome indiziert war. Die Verstandesaktivität ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen eingeschränkt. Beide Geschlechter beklagten sich über ein Gefühl von Eile und Ruhelosigkeit, das ja recht gut durch die Prüferin Nr. 1 beschrieben wurde.

Die Menstruation setzt vor der Zeit ein, in einigen Fällen kehrte die Menstruation bereits nach zwei Wochen wieder. Der Fluß ist sehr spärlich. Ein wundmachender, dünner, bräunlicher vaginaler Ausfluß war für mehrere Prüferinnen ein beunruhigendes Symptom.

Aber die herausragendsten Symptome, und das sind sogar diejenigen, die auch am verbreitetsten beobachtet wurden, beziehen sich auf die Beckenorgane. Diese Symptome zeigten sich im allgemeinen erst einige Tage nach Beginn der Arzneimittelprüfung. Sie bestehen aus einem zerrenden oder ziehenden oder herabdrängenden Bereich im Becken, als würde der gesamte Inhalt des Beckens durch die Vagina herabgezogen werden, oder als wolle er aus der Vulva heraustreten. Diese Empfindung ist nicht auf den Rücken oder die Hüften beschränkt - auch wiederum nicht bloß auf den hypogastrischen Bereich -, sondern wird so beschrieben, als würde es das gesamte Becken durchdringen. Und die beiden Prüferinnen, bei denen dieses Symptom am deutlichsten war, beschreiben die Empfindung wie von einem Ziehen oder Schleppen sogar aus dem Brustraum, dem Bereich der weiblichen Brüste und den Schultern her kommend. So bemerkenswert ist die Empfindung des Nach-unten- bzw. Nach-außen-Drückens, daß die Prüferinnen die Hand auf das Hypogastrium oder die Vulva legten, als würden sie auf diese Weise das Hervortreten verhindern können. Bei drei Prüferinnen enthüllte die körperliche Untersuchung, daß die Gebärmutter nach vorne verlagert war - eine Beschwerde, die keine von ihnen jemals zuvor erlebt hatte.

Zu dieser Kette von Symptomen gehört auch der Tenesmus von Harnblase und Rektum und der Durchfall und das häufige Wasserlassen.übereinstimmung herrscht auch bei den Prüferinnen in Zusammenhang mit den Schmerzen, die brennend oder schneidend sind, und in bezug auf eine Empfindlichkeit im Bereich der Eierstöcke, insbesondere des rechten Ovars.

Die Symptome verschlimmern sich im allgemeinen am Nachmittag und vor Mitternacht - mit Ausnahme des Durchfalles, der ein morgendlicher Durchfall zu sein scheint.

Wenn wir uns nun mit Hilfe des Lichtes, mit dem uns diese Arzneimittelprüfungen versehen, bemühen, Lilium tigrinum in die ihr angemessene Nische in unserer Arzneimittellehre zu stellen, und ihren Wert durch Vergleich mit anderen Arzneien einzuschätzen, dann beobachten wir als erstes: das einheitliche Auftreten von Beckensymptomen bei so vielen Prüferinnen, aber auch der Hinweis auf eine Gebärmutterverlagerung, den die körperliche Untersuchung erbrachte, festigen von vornherein den Anspruch dieser Arznei, sich zu denjenigen Arzneien zu versammeln, die bei Vorfall und Verlagerung der Gebärmutter, bei Katarrh der Vagina und der Gebärmutter und bei Entzündung der Eierstöcke angezeigt ist. Und wenn wir eine Parallele zu den Symptomen anderer Arzneien ziehen, finden wir bemerkenswerte Besonderheiten, die Lilium charakterisieren. Hinsichtlich des morgendlichen Durchfalls, der plötzlich und mit Tenesmus auftritt, ähnelt dieses Mittel Podophyllum, und Podophyllum hat in gleicher Weise ein allgemeines Herabdrängen im Beckenbereich - allerdings beschränkt auf den Lenden- und Sakralbereich, während die Gemütssymptome, die durch Podophyllum erzeugt werden, keinerlei ähnlichkeit mit jenen von Lilium besitzen.überdies erzeugt und beseitigt Podophyllum, soweit ich dies beobachten konnte, diese Beckensymptome nur dann, wenn sie in Verbindung mit gewissen Symptomen des Verdauungstraktes auftreten, und zu diesen besitzt Lilium keinerlei Beziehung.

Sepia erzeugt gewißlich ein herabdrängendes Gefühl im Lendenwirbelbereich, gemeinsam mit den schleppenden und ziehenden und sogar scharf-stechenden Schmerzen, die ihren Ursprung im Bereich der Ovarien haben und hinab zum Schambein gehen, aber darüber hinaus bietet uns Sepia keine Symptome von Durchfall und Reizbarkeit des Rektums und Anus und keinen solchen Vaginalausfluß, wie ihn Lilium hat; die Zustände sind sehr unterschiedlich. Die Schmerzen von Lilium verschlimmern sich am Nachmittag und vor Mitternacht, sie nehmen in der Ruhe zu und wenn die Verstandesaktivität passiv ist; sie sind daher schlimmer beim Niederlegen oder bei dem Versuch einzuschlafen. Hingegen sind andererseits die Schmerzen von Sepia schlimmer von 9.00 Uhr bis mittags und bessern sich durch Ruhe; sie verschlimmern sich durch Bewegung und Beschäftigung. Die Gemütszustände, die durch die beiden Arzneien erzeugt werden, unterscheiden sich sehr stark voneinander. Beinahe die gleichen Unterschiede bestehen zwischen Lilium und Pulsatilla.

Belladonna ähnelt Lilium in bezug auf des herabdrängenden Empfindens sowohl im Rücken als auch im Schambereich und auch bezüglich des Umstandes, daß keine unmittelbare Erleichterung durch Ruhe eintritt. Aber andererseits liefert Lilium keinen Hinweis auf eine allgemeine Störung des Organismus besonders der Blutzirkulation, die eine Begleiterscheinung jeder herausragenden Belladonna-Symptomgruppe ist. Ganz im Gegenteil waren unter dem Einfluß von Lilium, wenn die Patientin am meisten litt, die Nahrungsaufnahme und der Appetit nicht beeinträchtigt. Dieser nahm sogar noch zu.

Es ist wahrscheinlich, daß zukünftige Prüfungen mit Helonias dioica eine starke Analogie zwischen diesem Mittel und Lilium in bezug auf ihre Wirkung auf den weiblichen Organismus zeigen werden. Wir wissen bereits genug, um den Unterschied bezüglich der Gemütssymptome zu erkennen. Lilium macht den Verstand träge, erzeugt eine Empfindung von Eile und Unfähigkeit, und eine Qual, die auf dem klar definierbaren Vorgefühl beruht, eine Krankheit zu haben, die unheilbar oder zumindest ernst ist. Helonias erzeugt tiefe Melancholie, tiefe undefinierbare Depressionen mit dem Empfinden von schmerzhafter Empfindlichkeit und einem Gewicht in der Gebärmutter, einem "Bewußtsein, eine Gebärmutter zu haben".

Platina scheint mir die stärksten ähnlichkeitsmerkmale mit Lilium gemeinsam zu zeigen, sowohl bei den Beckensymptomen und zumindest in einer Phase der Gemütssymptome, und das Ergebnis meiner Versuche mit Prüferin Nr. 1 zeigt die Kraft von Platina, Lilium zu antidotieren. Jedoch zeigt Platina keines der Symptome des Verdauungstraktes, die unter der Wirkung von Lilium so herausragend sind, noch gibt es eine ähnlichkeit seiner Wirkungen auf die Funktion der Menstruation.

Sie werden bemerkt haben, daß ich nichts über die Wirkung von Lilium auf das Herz gesagt habe. Dies geschah, weil meine Arzneimittelprüferinnen in dieser Hinsicht nicht deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden waren (mit nur einer Ausnahme), aber hauptsächlich, weil es mein Anliegen war, die Wirkung der Arznei auf die Organe und die Funktionen, die besonders Frauen zu eigen sind, zu zeigen und auch zu demonstrieren, wie man in kurzer Zeit wertvolle Ergänzungen zur Arzneimittellehre vornehmen kann, nämlich dort, wo sie ihre größte Schwachstelle hat: und zwar dank der Anstrengungen professionell ausgebildeter Frauen, die sich diese Arbeit zu Herzen nehmen, die nur sie alleine ausüben können.


 
519 Seiten | Hardcover | Preis: Euro 22,- | ISBN 978-3-9808141-2-6